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Der Kampf gegen den Rollstuhl

Der Kampf gegen den Rollstuhl

NMSDS.

Hinter den fünf Buchstaben verbergen sich die seltenen Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen, bei denen der Körper das eigene Nervensystem angreift. In den meisten Fällen sind die Augen und das Rückenmark betroffen. Erblindung und motorische Einschränkungen drohen. A. Bolliger ist solch eine NMOSD-Patientin. Ihre Augen sind verschont geblieben. Doch der Rücken schmerzt, Tag und Nacht. 

Es begann mit einem Kribbeln am Bauchnabel. «Beim Duschen sah ich das Wasser herunterlaufen, nur spüren konnte ich es nicht. Der Hausarzt sprach von Gürtelrose und dass ich es im Auge behalten solle.» Gürtelrose war es nicht, das Blutbild normal. Doch die Taubheit dehnte sich aus. A. Bolliger war erst 34. «Ich wurde ohne Diagnose nach Hause geschickt. Bis ich über die eigenen Füsse stolperte. Ich spürte meine Beine nicht mehr richtig und musste die Hände zu Hilfe nehmen, wenn ich eine Treppe hinaufstieg. Ich erschrak.»

Im Spital fiel den Notfallärzten mein schräger Gang auf. MRI und CT zeigten, dass eine Entzündung zwischen dem siebten und neunten Wirbel das Rückenmark angegriffen hatte. «Sie gaben mir Cortison. Die Entzündung flaute ab, das Gefühl in den Beinen kam langsam zurück. Weil die Kraft fehlte, brachte man mich im Rollstuhl zur Reha ins Paraplegikerzentrum nach NOttwil. Physio-, Hippo- und Wassertherapie halfen beim Muskelaufbau. Sechs Wochen später konnte ich nach Hause. Schon bald war ich ohne Stöcke unterwegs. Es ging aufwärts.» Doch nur für drei Jahre, dann kam das Kribbeln zurück. Auch die Schwäche in den Beinen, dieses Mal aber heftiger. «Ich lieferte mich selber ein, bekam wieder Cortion, sass wieder im Rollstuhl kam auch wieder nach Nottwil – für vier Monate. Weil es beim Austrittsgespräch auf einmal in meinen Findern kribbelte, musste ich noch ein paar Tage anhängen. In der Halswirbelsäule hatte sich ein zweiter Entzündungsherd gebildet. Cortison half auch hier.»
Das war 2009. A. Bolliger bekommt seither Medikamente, die ihr Immunsystem herunterfahren. «Seit elf Jahren bekomme ich Medikamente. Weiter gravierende Schübe sind bisher ausgeblieben, das ist ein Erfolg. Doch ich habe immer Rückenbeschwerden. Sie werden von Jahr zu Jahr mehr. Am Morgen wache ich mit Schmerzen auf und am Abend gegen ich mit ihnen ins Bett. Vom Kreuz bis in den Schulterbereich tut’s weh. Am meisten auf Höhe der Brust, aber eigentlich am ganzen Oberkörper. Normale Schmerzmittel helfen nicht mehr, von den starken will ich nur wenig nehmen. Lange sitzen geht nicht. Im Büro hat man mir deshalb ein Stehpult eingerichtet. Die Arbeit tut mir gut. Sie lenkt mich ab.»

A. Bollingers Krankheit ist stabil. «Ein gutes Umfeld von Familie, Freunden und Arbeitskollegen ermöglicht mir, positiv zu denken. Ich musste lernen, keine Panik zu schieben, wenn es in den Beinen wieder zu kribbeln beginnt. Die Ungewissheit, ob und wann ein neuer Schub kommt, lastet immer auf mir. Den Kampf gegen den Rollstuhl ist auch nach elf Jahren noch nicht zu Ende.»

 

Schübe verhindern


Dr. med. Silke Biethahn zu Symptomen, Schmerzen und neuen Therapien bei NMOSD-Erkrankungen.

 

Wie entstehen Krankheiten, die unter dem Begriff NMOSD zusammengefasst werden?

Ursache ist eine Autoimmunerkrankung. Die Immunabwehr sieht das eigene Nervensystem als Fremdkörper an und bekämpft es mit schubweisen Entzündungen. Bei Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen finden solche Abwehrreaktionen vorwiegend in Hirn, Rückenmark und Sehnerv statt.

 

Was ist der Unterschied zu Multiple Sklerose (MS)?

Wer mit einer Entzündung des Rückenmarks über mehrere Wirbel oder mit einer Entzündung des Sehnervs zum Arzt kommt, sollte schnell nach NMOSD-Patienten erkannt werden. Es gibt jedoch auch Symptome, die kaum von jenen einer MS-Erkrankung zu unterscheiden sind. Hier muss man das MRI des Nervensystems, das Nervenwasser und bestimmte Blutwerte genau anschauen, um eine korrekte Diagnose zu stellen.

 

Woher kommen die Schmerzen?

Die Entzündungsschübe hinterlassen Vernarbungen, die zu Kurzschlüssen in den Nervenleitungen führen. Normale Reize werden plötzlich als Schmerz wahrgenommen. Die Schmerzen sind nicht Ausdruck ständig neue Schübe.

 

Was ist bei der Behandlung am wichtigsten?

Die Verhinderung von weiteren Schüben. Darum braucht es eine frühe Diagnose und eine frühe Therapie. Die Therapie dämpft das Immunsystem, damit es den Körper nicht mehr angreift. Mit den neuen Antikörperbehandlungen gibt es nun auch für all jene Patienten, die bisherigen Therapien weitere Schübe erlitten, wirksame Hilfe.

 

Magazin Sprechstunde Doktor Stutz Nr. 2 Mai/Juni 2020

 

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